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Die
Zeit im Märchen -
Träume und Nahtoderlebnisse
1) Zur
Einführung sind die folgenden Links nützlich aber
nicht erforderlich: --> "Allgemeines
zur Bildsprache der Märchen",
--> "Grausamkeiten im Märchen"
2)
Die Zeit im Traum - Beispiel: Ich schlafe, und auf dem Balkon weht der Wind den
Schirmständer um. Es gibt einen Schlag. Davon erwache
ich und träume im Aufwachen eine verwickelte Geschichte
von einer Verfolgungsjagd, die mit einem Schuß endet.
Der Knall am Anfang hat offenbar den Traum verursacht. Im
Traum steht aber der Knall am Ende. Dazwischen eine Geschichte,
die im normalen Leben mehrere Minuten dauern würde. Hier
gilt offenbar unser Zeitbegriff nicht.
3)
Die Zeit in Nahtod
- Erlebnissen - Beispiel: Ein 14 – jähriges Mädchen wird
beim Tauchen in einem Fluß gegen eine Ankerkette getrieben.
Ihr Badeanzug verhakt sich in der Kette, und sie ertrinkt
beinahe. Dabei erscheint wie in einem Bild vor ihrem inneren
Auge alles, was sie bis dahin in ihrem Leben erlebt hat,
und zwar deutlich in allen Einzelheiten. In der kurzen Zeit
der Todesangst spielen sich also 14 Jahre Leben vor ihr
ab.
4)
Die Zeit im Märchen - DAUER:
Im Märchen werden seelische Entwicklungswege in Bildergeschichten
/ in Sinnbildern dargestellt. Ein Märchen, das in 10
Minuten zu erzählen oder vorzulesen ist, kann Entwicklungen
schildern, für die ein Mensch wohl einige Erdenleben
braucht.Im
Märchen -->"Rotkäppchen" (Brüder Grimm) geht der Jäger am Haus der Großmutter
vorbei, kaum daß Rotkäppchen vom Wolf verschlungen
ist. Aber vielleicht liegen dazwischen ja ein paar Jahrhunderte
Menschheitsentwicklung?Im
Märchen --> "Aschenputtel" (Brüder Grimm) treten gleichzeitig 3 Schwestern auf.
Bei der einen ist die Zehe, bei der anderen die Ferse zu groß.
Erst der dritten, nämlich Aschenputtel, paßt der
goldene Schuh.
Es werden seelische Einseitigkeiten bildlich dargestellt (siehe
Märchen / Deutung / Aschenputtel). Das Märchen zeigt
uns: "Der Mensch kann in das Extrem der Schwärmerei,
der Erdflüchtigkeit verfallen (man trippelt auf Zehenspitzen,
schwebt in Wolkenkuckuksheimen: Zehen überbetont) oder
in das andere Extrem der Erdsüchtigkeit ("Das will
ich aber und setze es durch!" Nur Börsenkurse und
Kontoauszüge, einen Himmel gibt es nicht: Ferse überbetont).
Man kann aber auch beide Extreme einer höheren Kraft dienstbar machen, wie Aschenputtel es tut,
die hart arbeitet und dreimal täglich am Grab der Mutter
betet. Das ist die "goldene Mitte". Beide Extreme
und den Ausgleich kann kein Mensch in einem Leben erleben. Der
Mensch hat sich im Laufe der Zeit zunächst im Fühlen,
dann im Denken individualisiert, das sind die beiden Ältesten.
Die jüngste Kraft, die wir heute noch ausbilden müssen,
ist der Wille (nicht zu verwechseln mit dem Eigensinn). Den
Willen entwickle ich, wenn ich gute Gewohnheiten erübe
und gerne das tue, was der Welt nützt. Er beruht auf
Einsicht, Selbstlosigkeit und Durchhaltekraft.
Das braucht eine lange Entwicklungszeit. Im Märchen erscheint
alles wie gleichzeitig.
Ähnlich
geht es in anderen Märchen mit den drei Brüdern,
z.B. in "Das Wasser des Lebens" und
" Die drei Federn" (Brüder
Grimm). Zwei gescheite (weltkluge) Brüder stehen dem
sogenannten Dummling gegenüber. In "Die drei Federn"
neigt der eine ältere Bruder nach Osten, der andere nach
Westen. Der jüngste geht geradeaus und tut das Nahe-liegende.
Wieder werden nebeneinander zwei Extreme und deren Ausgleich
gezeigt, für die jeder Mensch lange Entwicklungszeiten
benötigen würde.
Wir
sehen daraus, daß die Märchen - wenn wir sie überhaupt
ernstnehmen - auf einer anderen Bewußtseinsebene spielen
als Romane und Schauspiele. Raum und Zeit gehören unserem
Erdenleben an. Ahnungsweisen Zugang zu der anderen Ebene können
wir über Traum, Nahtoderlebnisse und Märchen bekommen.
(Frank
Jentzsch 8.2.2008, 19.8.2008)
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