Märchenerzähler
Frank Jentzsch

   
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Die Zeit im Märchen - Träume und Nahtoderlebnisse

1) Zur Einführung sind die folgenden Links nützlich aber nicht erforderlich: --> "Allgemeines zur Bildsprache der Märchen", --> "Grausamkeiten im Märchen"

2) Die Zeit im Traum - Beispiel: Ich schlafe, und auf dem Balkon weht der Wind den Schirmständer um. Es gibt einen Schlag. Davon erwache ich und träume im Aufwachen eine verwickelte Geschichte von einer Verfolgungsjagd, die mit einem Schuß endet. Der Knall am Anfang hat offenbar den Traum verursacht. Im Traum steht aber der Knall am Ende. Dazwischen eine Geschichte, die im normalen Leben mehrere Minuten dauern würde. Hier gilt offenbar unser Zeitbegriff nicht.

3) Die Zeit in Nahtod - Erlebnissen - Beispiel: Ein 14 – jähriges Mädchen wird beim Tauchen in einem Fluß gegen eine Ankerkette getrieben. Ihr Badeanzug verhakt sich in der Kette, und sie ertrinkt beinahe. Dabei erscheint wie in einem Bild vor ihrem inneren Auge alles, was sie bis dahin in ihrem Leben erlebt hat, und zwar deutlich in allen Einzelheiten. In der kurzen Zeit der Todesangst spielen sich also 14 Jahre Leben vor ihr ab.

4) Die Zeit im Märchen - DAUER: Im Märchen werden seelische Entwicklungswege in Bildergeschichten / in Sinnbildern dargestellt. Ein Märchen, das in 10 Minuten zu erzählen oder vorzulesen ist, kann Entwicklungen schildern, für die ein Mensch wohl einige Erdenleben braucht.Im Märchen -->"Rotkäppchen" (Brüder Grimm) geht der Jäger am Haus der Großmutter vorbei, kaum daß Rotkäppchen vom Wolf verschlungen ist. Aber vielleicht liegen dazwischen ja ein paar Jahrhunderte Menschheitsentwicklung?Im Märchen --> "Aschenputtel" (Brüder Grimm) treten gleichzeitig 3 Schwestern auf. Bei der einen ist die Zehe, bei der anderen die Ferse zu groß. Erst der dritten, nämlich Aschenputtel, paßt der goldene Schuh.
Es werden seelische Einseitigkeiten bildlich dargestellt (siehe Märchen / Deutung / Aschenputtel). Das Märchen zeigt uns: "Der Mensch kann in das Extrem der Schwärmerei, der Erdflüchtigkeit verfallen (man trippelt auf Zehenspitzen, schwebt in Wolkenkuckuksheimen: Zehen überbetont) oder in das andere Extrem der Erdsüchtigkeit ("Das will ich aber und setze es durch!" Nur Börsenkurse und Kontoauszüge, einen Himmel gibt es nicht: Ferse überbetont). Man kann aber auch beide Extreme einer höheren Kraft dienstbar machen, wie Aschenputtel es tut, die hart arbeitet und dreimal täglich am Grab der Mutter betet. Das ist die "goldene Mitte". Beide Extreme und den Ausgleich kann kein Mensch in einem Leben erleben. Der Mensch hat sich im Laufe der Zeit zunächst im Fühlen, dann im Denken individualisiert, das sind die beiden Ältesten. Die jüngste Kraft, die wir heute noch ausbilden müssen, ist der Wille (nicht zu verwechseln mit dem Eigensinn). Den Willen entwickle ich, wenn ich gute Gewohnheiten erübe und gerne das tue, was der Welt nützt. Er beruht auf Einsicht, Selbstlosigkeit und Durchhaltekraft. Das braucht eine lange Entwicklungszeit. Im Märchen erscheint alles wie gleichzeitig.

Ähnlich geht es in anderen Märchen mit den drei Brüdern, z.B. in "Das Wasser des Lebens" und " Die drei Federn" (Brüder Grimm). Zwei gescheite (weltkluge) Brüder stehen dem sogenannten Dummling gegenüber. In "Die drei Federn" neigt der eine ältere Bruder nach Osten, der andere nach Westen. Der jüngste geht geradeaus und tut das Nahe-liegende. Wieder werden nebeneinander zwei Extreme und deren Ausgleich gezeigt, für die jeder Mensch lange Entwicklungszeiten benötigen würde.

Wir sehen daraus, daß die Märchen - wenn wir sie überhaupt ernstnehmen - auf einer anderen Bewußtseinsebene spielen als Romane und Schauspiele. Raum und Zeit gehören unserem Erdenleben an. Ahnungsweisen Zugang zu der anderen Ebene können wir über Traum, Nahtoderlebnisse und Märchen bekommen.

(Frank Jentzsch 8.2.2008, 19.8.2008)


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